
Pierre de Porcaro
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Inhaltsübersicht:
- Biografie

Foto: Association des amis de la Fondation de la Résistance
Kurzbiografie:
Pierre de Porcaro wird am 10. August 1904 in Dinan in der Bretagne geboren und am 29. Juni 1929 in Versailles zum Priester geweiht. Sein Vater, ein Offizier, fiel 1916 im Ersten Weltkrieg. Der Neupriester wird von 1929 bis 1935 Lehrer und Kapellmeister am kleinen Seminar Notre-Dame de Grandchamp in der Diözese Versailles, dann 1935 bis 1943 Vikar im ebenfalls bei Paris gelegenen St. Germain en Laye. Im August 1939 rückt er als Pionier-Unteroffizier ein und wird am 23. Juni 1940 in den Vogesen von der deutschen Armee gefangen genommen. In Deutschland kommt er ins Stalag IX B in Bad Orb in Hessen und kehrt am 4. August 1940 nach der Entlassung zurück nach St. Germain en Laye. Sein Bischof bittet ihn 1943, als illegaler Seelsorger für Zwangsarbeiter nach Deutschland zu gehen. Porcaro ist einverstanden reist am 13. Mai ab. Der ausgebildete Lehrer für Französisch, Latein und Griechisch ist nun in Dresden Hilfsarbeiter. Nach einem Arbeitsunfall bekommt er Urlaub in Frankreich, kehrt dann aber trotz des Risikos nach Dresden zurück. Ein Denunziant verrät ihn, und er wird am 20. Januar ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Pierre de Porcaro erkrankt dort an Typhus und stirbt am 12. März 1945 im Krankenrevier des Lagers. Einem Gefährten sagt er kurz vor seinem Tod: „Ich biete mein Leben für Frankreich an, ich nehme das Opfer an, das der Herrgott mir schickt“. Am Rand der Todesurkunde werden 1947 die selben Worte wie 1916 für seinen Vater vermerkt: „Gestorben für Frankreich“.
Biografie von Klemens Hogen-Ostlender:
Pierre de Porcaro wurde am 10. August 1904 in Dinan in der Bretagne im Nordwesten Frankreichs als Sohn von Edmond-Marie de Porcaro und dessen Ehefrau Marthe du Hamel de Canchy geboren. Die Familie war seit dem 15. Jahrhundert in der Region ansässig und stammte aus dem dortigen Dorf Porcaro. Pierre hatte drei Brüder: Jean, André und Yves, sowie eine Schwester, Louise. Am 29. Juni 1929 wurde Pierre in Versailles zum Priester geweiht. Auch sein Bruder Yves empfing dieses Sakrament. Pierre hatte während seiner Ordinationsklausur geschrieben: „Ich muss ein Heiliger werden. Nur so kann ich mir später einen fruchtbaren Dienst sichern. Ich glaube, ich kann das ganz ehrlich sagen: Ich habe Durst nach Seelen.“ Sechs Jahre lang war er anschließend Lehrer und Kapellmeister am Kleinen Seminar Notre-Dame-de-Grandchamp. Bis zum August 1939 wurde er dann als Vikar nach St.-Germain-en-Laye geschickt. Seine Einberufung bei Kriegsbeginn als Unteroffizier zum 10. Pionierregiment endete mit der Gefangennahme durch deutsche Truppen im Juni 1940. Zunächst feierte er mit 8000 anderen französischen Soldaten in einem Lager bei Colmar täglich die Messe. Dann kam er ins Stalag IX B im hessischen Bad Orb. Am 4. August 1940 durfte er bereits nach Frankreich zurück, weil er kein kämpfender Soldat, sondern Militärseelsorger gewesen war. Pierre de Porcaro nahm nun sein Amt als Vikar in St.-Germain-en-Laye für knapp drei Jahre wieder auf.
Zahllose Franzosen mussten später während des Krieges zum Zwangsarbeitsdienst in Deutschland antreten. Für sie verboten die NS-Behörden jegliche seelsorgerische Betreuung. Der Priester Jean Rodhain wandte sich Anfang 1943 im Auftrag von Kardinal Emmanuel Suhard, des Erzbischofs von Paris, an alle französischen Bischöfe um zu verhindern, dass Hunderttausende von Arbeitern ohne Priester blieben. Rodhain zeigte sich zuversichtlich, der Klerus werde nicht zögern, seinen Teil der Last zu übernehmen, die auf der Arbeiterklasse laste. Die Bischöfe warben nun um Freiwillige, die bereit waren, mit falschen Papieren und ebenso erfundener Identität als Untergrundpriester nach Deutschland zu gehen. Der Bischof von Versailles, Benjamin-Octave Roland-Gosselin, fragte auch Pierre de Parcaro, ob er trotz des erheblichen Risikos diesen Dienst übernehmen und auch einen echten Arbeitsvertrag als Arbeiter abschließen würde. Nach einem Tag Bedenkzeit sagte Pierre de Parcaro zu. Seinem Bischof schrieb er vor dem Aufbruch nach Dresden am 13. Mai 1943: „Als Lehrer für Französisch, Latein und Griechisch werde ich nun als ungelernter Arbeiter eingestellt”.
In der sächsischen Hauptstadt fristete er fortan sein Dasein tatsächlich als Hilfsarbeiter in einer Fabrik, die Kartons aus Wellpappe herstellte. Er gründet in seiner knappen Freizeit nach und nach mehr als ein Dutzend katholische Studienkreise, war für die Action Catholique, die Katholische Aktion, emsig aktiv, feierte heimlich heilige Messen, spendete Sakramente und half seinen Landsleuten, wo immer er konnte. Ein Arbeitsunfall verschaffte ihm zwar kurz Urlaub in Frankreich. Aber der Untergrundpriester reiste wieder nach Dresden zurück, obwohl er wusste, wie groß das Risiko wegen seiner umfangreichen, aber völlig illegalen Aktivitäten, trotz mancher geheimer Unterstützung durch den deutschen Klerus, dort wieder sein würde.
In der katholischen Pfarrei St. Elisabeth im Ortsteil Zschachwitz erinnert man sich zum Beispiel heute noch daran, dass Porcaro mit Duldung des regimekritischen Pfarrers Dr. Ludwig Baum im Geheimen die seelsorgerische Betreuung französischer Zwangsarbeiter übernahm und Gottesdienste in ihrer Muttersprache hielt. Das Amt des Studentenpfarrers war Baum von den Nationalsozialisten entzogen worden. Seinen erzwungenen Wechsel aus der Innenstadt in das abseits gelegene Zschachwitz hatten viele als Strafversetzung empfunden. Pierre de Porcaro beschrieb seine Situation damals als „moderne Katakombe“. Von 22 ihm bekannten Untergrundpriestern in Deutschland, die von ihren jeweiligen Bischöfen entsandt wurden, waren sechs bald verhaftet. Pierre de Porcaro argwöhnte, dass er und die anderen auch bald an der Reihe sein würde. Nach nicht einmal drei Monaten begann er Anfang August eine Nachricht an seinen Bischof, der nach Versailles geschmuggelt wurde, so: „Ich versuche einen Brief zu schreiben, der wahrscheinlich der letzte sein wird...”
Bei einem Arbeitsunfall verletzte er sich und konnte zu einem kurzen Erholungsurlaub nach Frankreich reisen. Für die Rückreise nach Deutschland entschied er sich der Möglichkeit eines Martyriums bewusst.
Bis zum 11. September 1943 konnte er sein gefährliches Apostolat aber noch fortsetzen. Dann wurde er von einem Denunzianten verraten. Gestapo-Chef Ernst Kaltenbrunner persönlich hatte inzwischen ein Dekret unterzeichnet, das sich gegen die Katholische Aktion richtete. Wegen fortgesetzter Verstöße dagegen wurde Parcaro verhaftet, als er zur Samstagsschicht in der Fabrik erschien. Gut vier Monate musste er im Gefängnis in Dresden verbringen. Folter bei den Verhören war schon während dieser Zeit keine Seltenheit. Am 20. Januar 1945 kam Pierre de Porcaro dann in den Priesterblock im Konzentrationslager Dachau, wo bis zum Kriegsende mehr als 2.800 Geistliche inhaftiert waren, von denen mehr als 1.000 getötet wurden. Er erhält die Häftlingsnummer 138374.
Gut sieben Wochen überlebte der Untergrundpriester die unmenschliche Behandlung im KZ bei katastrophalen hygienischen und medizinischen Verhältnissen, starb dann aber am 12. März 1945 im notdürftig ausgestatteten Krankenrevier an einer Typhus-Infektion. Dieser Krankheit fielen viele der insgesamt mehr als 32.000 KZ-Insassen Dachaus zum Opfer. Kurz vor seinem letzten Atemzug vertraut er dem mitgefangenen Abbé Beauvais noch sein Vermächtnis an: „Ich opfere mein Leben für Frankreich. Ich akzeptiere das Opfer, das mir der Herrgott auferlegt.“ Vikar Edmond Cleton, der das KZ Dachau überlebte, würdigte nach der Befreiung des Lagers seinen getöteten Kameraden so:
„Abbé de Porcaro, einer der fähigsten, fröhlichsten und gelassensten unter uns. Er schloss sich Pater Dillard an [der am 12. Januar 1945 im KZ Dachau starb]. Beide waren Freiwillige, Zeugen Christi inmitten der Verbannten, von allen geliebt. Sie hinterlassen uns menschliche Trauer, aber auch die Hoffnung auf den Himmel.“
Der Titel „politischer Deportierter“ wurde Pierre de Porcaro am 24. Dezember 1947 vom Ministerium für Kriegsveteranen und Kriegsopfer zuerkannt. Am 17. März 1948 erhielt seine Todesurkunde den Vermerk „Für Frankreich gestorben“. In Saint-Germain-en-Laye wurde der Vorplatz der Kirche Saint-Germain in „Place de l'Abbé Pierre de Porcaro“ umbenannt. 2025 veröffentlicht ein französischer Verlag in Zusammenarbeit mit der Diözese Versailles einen Comic mit dem Titel „Pierre de Porcaro, prêtre clandestin volontaire“ (Pierre de Porcaro, freiwilliger Untergrundpriester).
Bildtexte
Porcarostatue: Die Statue erinnert in Saint-Germain-en-Laye an Pierre de Porcaro Originalfoto: Widsith Creative Commons Attribution-Share-Alike 3.0 Unported License.
Photoporcaro:
Abbé Pierre de Porcaro. Foto: Séminaire de Versailles
porcaro comic: Die Zeichnung aus dem 2025 erschienen Comicheft zeigt den Moment, in dem Pierre de Porcaro den Willen Gottes erkennt, nach einem Urlaub nach Deutschland zurück zu gehen. Der übersetzte Text lautet „Mein Gott, nach dem Lager, dem Hunger, dem Ungeziefer rufst Du mich wirklich wieder dahin zurück?“ Foto: Archiv Hogen-Ostlender