

Vereinsmitglied Klemens Hogen-Ostlender schrieb eine Biografie über den immer noch wenig bekannten deutschen Dachaumärtyrer Gerhard Hirschfelder. Seine Zitate bewegen tief und sind wichtige Impulse für unser geistliches Leben.
Seliger Gerhard Hirschfelder, bitte für uns!
Kurze Biografie von Klemens Hogen-Ostlender
Gerhard Hirschfelder
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg war Maria Hirschfelder wegen ihres Sohnes Gerede und Diskriminierung ausgesetzt. Die Schneiderin war nicht verheiratet. Doch Nachbarn und Bekannte standen ihr zur Seite. Die alleinerziehende Mutter bildete sich beruflich weiter, um eine bessere finanzielle Basis für sich und ihr einziges Kind zu schaffen. Ihr gelang es sogar, Gerhard den Besuch der Höheren Schule. zu ermöglichen. Der Junge entdeckte die Berufung, sein Leben als Priester Gott zu widmen und fand Aufnahme im Theologenkonvikt des Bistums Breslau. Seine als Makel empfundene Geburt verzögerte die Weihen zum Subdiakon und Diakon. Der Kandidat musste auf den nötigen römische Dispens warten. Gerhard Hirschfelder ließ sich davon nicht entmutigen: „Herr, wenn man mir auch die äußere Ehre nimmt, ich bleibe doch Kind Gottes, Kämpfer Gottes, Priester Gottes, das kann mir niemand nehmen.“ Schließlich erreichte er ein Jahr vor der Machtübernahme des Nationalsozialismus doch sein großes Ziel. Für sein Primizbild wählte er das Wort „Christus, unser Osterlamm ist geschlachtet, Alleluja.“ Ahnte er bereits, was das in seiner ganzen Fülle und Tiefe für ihn bedeuten konnte?
Als Kaplan in Tscherbeney in Niederschlesien gewann der Neupriester vor allem die Kinder und Jugendlichen. Sie kamen lieber zu seinen Gruppenstunden als zu den Jugendverbänden der Partei. Als er ins nahegelegene Habelschwerdt versetzt wurde, traf ihn der tragische Tod seiner Mutter. Wenige Monate vor Kriegsbeginn nahm sie sich in der Neiße das Leben. Letzte Briefe von ihr sind heute nicht mehr erhalten. In einer Biografie über Gerhard Hirschfelder schrieb Hugo Goeke, ehemaliger Theologieprofessor der Universität Münster, später: „Haben Sorgen und Nöte die alleinerziehende Mutter erdrückt? Hat sie unter Missachtung oder unter verweigerter Anerkennung gelitten? Haben unüberwindliches Leid und Angst um den Sohn sie in den Tod getrieben?“
Für den jungen Kaplan war das NS-System mit dem Glauben unvereinbar. Die Gestapo stufte ihn staatsgefährdend ein. Er musste immer wieder Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen und war Ziel von auf ihn angesetzten Spitzeln. In häufigen Vernehmungen hörte er die Drohung, er werde bei weiteren Verstößen gegen die Auflagen abgeholt. Doch als Jugendliche ihn warnten, sagte er: „Kinder, ich kann nicht anders, wenn ich sehe, was sich gegen die Kirche und gegen die Menschenwürde tut, ich muss es von Herzen los werden.“ Kurz nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion zerstörten Mitglieder der Hitlerjugend einen Sandsteinbildstock mit dem Bildnis der Krönung Mariens. Gerhard Hirschfelder sagte am nächsten Sonntag in seiner Predigt auf der Kanzel von Glatz: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher.”
Kurz vor Weihnachten kam er ins Konzentrationslager Dachau. Auf der so genannten Plantage musste er Schwerarbeit leisten. Dort experimentierte die SS mit der Produktion von heimischen Kräutern. Eins der Ziele war die Entwicklung von sogenannten „Deutschen Pfeffer“. Auch als Häftling verstand Gerhard Hirschfelder sich als Werkzeug in der Hand Gottes. In einem Brief an Verwandte und Bekannte schrieb er: „Ich opfere alles für Euch auf." Den wirklichen seelischen Reichtum kann die Welt nicht erkennen, wusste er. Deshalb könne "ein Christ, besonders ein Priester, ein immer fröhlicher Mensch sein, weil Christus nicht zu töten ist.“
Als Paratyphus ihn befiel, ließ ihn ein Aufseher Gerhard Hirschfelder zwei Stunden unter der kalten Dusche stehen. Sein durch die Strapazen des KZ geschwächter Körper konnte sich davon nicht mehr erholen. In seinem letzten Brief standen diese Worte: „Was ist doch alle Welt gegenüber der Herrlichkeit des Himmels, wo es kein Leid, nur Liebe ohne Hass gibt. So wollen wir halt Gottes Willen abwarten und ein starkes ´Ja´ dazu sprechen. Er wird es schon gut machen.“ Gerhard Hirschfelder brach zusammen, kam ins Krankenrevier und starb wenige Tage später. Sein Gedenktag ist der 2. August. Der Leichnam wurde verbrannt, die angebliche Asche wenige Wochen später auf dem Friedhof in Tscherbeney beigesetzt. Seine Todesursache durfte nicht bekanntgegeben werden. An den Orten seines ehemaligen Wirkens wurde er schon bald als heiligmäßig verehrt. Sein Grab ist heute ein Ort des Friedens und der Versöhnung vor allem zwischen Polen, Tschechen und Deutschen. 2010 wurde der mutige Kaplan im Dom zu Münster selig gesprochen. Professor Hugo Goeke sagte in einer Predigt im Gedenken zum Gedenken: „Wenn Sie mich fragen, worin ich die eigentliche Größe von Gerhard Hirschfelder sehe, würde ich antworten: Man nimmt ihm alles, aber er bewahrt seine Würde. Indem er gibt, was man ihm nimmt, reift er geradezu zu menschlicher und christlicher Größe. Das findet Ausdruck darin, dass er seine Zeit im Gefängnis und im Konzentrationslager nicht als eine verlorene Zeit ansieht. Auch diese Zeit ist für ihn gefüllt, erfüllt von segensreichem Leben und Leiden für andere. So reift sein menschliches Leben und Leiden zu höchster Vollendung. Und er erliegt nicht sinnlosem Leben und Sterben. Gerhard Hirschfelder geschundener Leib ist Ausdruck für seine Bereitschaft, den Kreuzweg seines Lebens für andere bis zum Ende zu gehen. o kann sein Kreuzweg zum Erlösungsweg werden für Menschen, die sich an ihm aufrichten. Wer wie Gerhard Hirschfelder seinen Leidensweg annimmt und den leidenden Jesus an seiner Seite weiß, der mag in seinem Leid Erlösungsspuren entdecken, die ihn ermutigen, den Weg zuversichtlich und tatkräftig bis zum Ende zu gehen. So möge unser menschlicher Lebensweg immer auch ein wenig von einem „Hirschfelder-Weg“ an sich haben“.
Foto: Die Pfarrer Josef Zilliken und Johann Schulz kam ins KZ, Dachau und starben dort, weil sie in einem Ausflugslokal Hermann Görung nicht gegrüßt hatten. Rechte: Public Domain
Johannes Schulz und Josef Zilliken
ein Artikel von Klemens Hogen-Ostlender
Es ist der 27. Mai 1940, ein Montag. Zweieinhalb Wochen zuvor hat das Deutsche Reich den Krieg gegen die Niederlande, Luxemburg, Belgien und Frankreich vom Zaun gebrochen. Knapp einen Monat später wird er siegreich enden. Johannes Schulz aus Nickenich und Josef Zilliken aus Wassenach sind Gegner des Nationalsozialismus. Die beiden befreundeten Pfarrer aus Nachbargemeinden sitzen am Nachmittag auf der Terrasse des Gasthauses Waldfrieden oberhalb des Laacher Sees, unweit der Benediktinerabtei Maria Laach. Schulz hat eine Woche zuvor die 29. Wiederkehr seines Weihetages gefeiert. Als ein weiterer Gast erscheint, nehmen sie davon keine Notiz. Alle anderen Anwesenden aber springen auf und grüßen den Ankömmling mit erhobenem rechtem Arm. Es ist Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Seine Miene verfinstert sich beim Blick auf die sitzenden Priester. Spontan befiehlt er, beide zu verhaften, was noch am selben Abend geschieht. Skeptiker bezweifelten lange, dass die Anzeige tatsächlich von Göring selbst kam. Nach den Ende der Sowjetunion wurden dann Verhörprotokolle des Geheimdienstes NKWD öffentlich. Darin hatten deutsche Offiziere t bestätigt: Wenige Tage nach dem Zwischenfall brüstete Göring sich gegenüber Adolf Hitler: „Denen habe ich es aber gezeigt. Ich habe sie ins KZ geschickt und habe befohlen, dort eine Stange mit einer alten Mütze von mir aufzustellen. Jetzt müssen sie jeden Tag daran vorbeimarschieren und den nationalsozialistischen Gruß üben.“ Die infantile Demütigung wurde im KZ tatsächlich noch verschärft, indem SS-Schergen Schulz und Zilliken zwangen, unzählige Male diesen Satz auf eine Schiefertafel zu schreiben: „Jeder Deutsche ist verpflichtet, den Reichsmarschall zu grüßen.“
Johannes Schulz wurde am 3. April 1884 geboren und 1911 zum Priester geweiht. Im Ersten Weltkrieg war er als Divisionspfarrer dienstverpflichtet. 1919 wurde er Pfarrer im saarländischen Derlen. Er machte sich dort später dort durch Predigten gegen das NS-Regime bei dessen Anhängern unbeliebt. Im Trierer Diözesanarchiv sind die Vorwürfe aktenkundig: Der Pfarrer verhalte sich so feindlich, dass oft Leute die Kirche aus Protest verlassen würden. 1935, nach der Rückgliederung des Saargebiets an Deutschland, versetzte das Bistum Schulz nach Nickenich im Landkreis Mayen. Noch im selben Jahr warf der Sicherheitsdienst Heinrich Himmlers ihm Überschreitung des Züchtigungsrechts im Unterricht vor. Das war damals ein beliebter Vorwand, um katholische Geistliche einzuschüchtern. Auch die Gestapo hatte Johannes Schulz im Visier und nahm beispielsweise Anstoß daran, dass er Flugblätter für die Katholische Bekenntnisschule verteilen ließ.
Josef Zilliken erblickte am 17. September 1872 das Licht der Welt und wurde 1898 zum 1898 Priester geweiht. Als Dechant im Dekanat Prüm in der Eifel wandte er sich ab 1922 gegen die aufgekommene Forderung von Separatisten, das Rheinland von Preußen zu lösen oder sogar eine selbstständige Rheinische Republik zu gründen. Das brachte ihm von Gegnern einer Abspaltung die Bezeichnung „Rückgrat des Deutschtums in der Eifel“ ein. Doch auch Zilliken war ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Er bekämpfte einen Zahnarzt, der schon vor so genannten Machtergreifung Propaganda für die NSDAP macht. Der wurde 1933 Kreisleiter und rächte sich. Zilliken wurde wegen einer Predigt gegen das Buch „Mythus des 20. Jahrhunderts“ des NSDAP-Ideologen Alfred Rosenberg angezeigt. Das Verfahren endete zwar mit Einstellung. Rosenberg selbst aber zeigte nun den Dechanten wegen Beleidigung an. Zilliken erhielt von der noch nicht restlos auf NS-Kurs eingeschworenen Justiz eine Bewährungsstrafe. 1937 kam er als Pfarrer nach Wassenach im Landkreis Ahrweiler. Immer wieder wurde er wegen regimekritischen Verhaltens zur Gestapo zitiert. Mehrere Strafverfahren waren gegen ihn angestrengt.
Bis zum 27. Mai 1940 blieb er dennoch wie auch Johannes Schulz in Freiheit. Doch dann begann für beide ihr Leidensweg. In Andernach am Rhein wurden sie wochenlang scharf verhört. Im Juni brachte man sie nach Buchenwald, im Juli ins KZ Sachsenhausen. Sie wurden immer wieder bespuckt, schwer verprügelt und mit Tritten traktiert. Im Dezember kamen beide schließlich nach Dachau. Angehörige von Johannes Schulz und sein Amtsvorgänger in Derlen, Adolf Rosch, richteten vergeblich Gnadengesuche an Göring und dessen Ehefrau. Schulz musste im KZ Schwerstarbeit in der so genannten Plantage leisten. Dort wurde in einem Moorgebiet unter anderem mit dem Anbau heimischer Kräuter wie deutschem Pfeffer experimentiert. Pfarrer Schulz war bald so geschwächt, dass er zu den täglichen Appellen von Kameraden gestützt geführt werden musste. Kärgliche Hungerrationen ließen ihn ab 1942 außerdem fast bis aufs Skelett abmagern. Er hatte Wasser in den Füßen. Magen und Darm versagten fast völlig den Dienst. Am 5. August 1942 wurde der Priester in die Krankenstation des Lagers eingeliefert. Man amputierte ihm beide Beine. Am 19. August 1942 starb er. Der Mithäftling Hans Carls, Caritas-Direktor aus Köln, überlieferte seine letzten Worte: „Ich sterbe für meine Gemeinde, damit alle gerettet werden“. An seinen Bischof, Rudolf Bornewasser, hatte der Todgeweihte wenige Wochen zuvor noch diese Worte gerichtet: „In der letzten Zeit habe ich alle Gebete und Opfer für meine Firmlinge dargebracht, daß sie vollendete Christen werden, wie die Zeit sie braucht für Kirche und Vaterland“.
Die körperliche Überforderung ließ auch Josef Zilliken sterbenskrank werden. Seelisch war er dennoch ungebrochen. Der Mithäftling Pater Maurus Münch aus dem Bistum Trier schilderte den Wechsel von Pfarrer Zilliken zur Krankenstation so: „Wir wussten: Es war sein letzter Weg im Lager. Ehe er uns verließ, gaben wir ihm alle gemeinsam die heilige Ölung in der Kapelle. Ganz bewusst empfing er das Sakrament und umarmte jeden von uns, ehe er aus der Kapelle ins Revier getragen wurde. Am 3. Oktober gab er seine Seele in Gottes Hand“. Der frühere Reichstagsabgeordnete Joseph Joos hatte dem Zentrum angehört. In seinen Augen starb dereinst hünenhafte und immer noch kämpferische Zilliken „wie ein alter Haudegen auf dem Schlachtfeld“. Wenige Monate hatte der Pfarrer noch Grüße an seine Pfarrkinder übermitteln und ihnen diesen Wunsch weitergeben lassen: „Sie sollen gläubig und der Kirche treu bleiben“.
Am 28. August 1942 fand in Nickenich ein Requiem für Johannes Schulz statt. Es wurde auch durch die Teilnahme sehr vieler Geistlicher zu einer Demonstration gegen das NS-Regime. Weil der Bürgermeister die Urne nicht auf dem Gemeindefriedhof haben wollte, wurde sie 1943 in Saarbrücken im Grab der Familie Schulz beigesetzt. 1949 errichtete die katholische Jugend in Derlen einen Gedenkstein für Pfarrer Schulz. 1954 wurde eine Gedenktafel an der Kirche in Nickenich enthüllt, 1977 eine Gedenkplatte in Derlen. 2003 weihte man dort eine Gedenkstätte ein und benannte den „Pfarrer-Johannes-Schulz-Platz“ nach dem Priester. Die Urne des Verstorbenen wurde dann in Saarbrücken gehoben. Bischof Reinhard Marx setzte sie 2004 im Priestergrab auf dem Friedhof von Derlen bei.
Ebenfalls im Beisein von vielen Geistlichen und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung fand zehn Tage nach seinem Tod das Sterbeamt für Josef Zilliken in der Pfarrkirche von Wassenach statt. Seine Urne wurde im November 1942 auf dem dortigen Friedhof bestattet. Nach dem Ende des NS-Regimes erhielt seine letzte Ruhestätte eine würdige Gestaltung in der Mitte des Priestergräberfeldes. In Wassenach wurde eine Straße nach ihm benannt. Am Gasthaus Waldfrieden enthüllten die Bischöfe Felix Genn und Stephan Ackermann 2010 eine Gedenktafel für beide Priester.
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